30.07.2020, 12.26 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Claudia & Thomas Orth: Trump wird nicht wiedergewählt, aber…“

Artikelfoto

Claudia und Thomas Orth vor ihrem schmucken Haus bei Tampa in Florida, das anderthalb Jahre lang ihr Zuhause war. | Foto: privat

Nach anderthalb Jahren in den USA sind Claudia und Thomas Orth zurück am Küllenhahn / Wie haben sie dort die Corona-Zeit erlebt, wie sehen sie Donald Trump?

Staunen, ja sogar Fassungslosigkeit lösen hierzulande vielfach die Corona-Nachrichten aus den USA aus. Dass die Weltmacht von der Pandemie am stärksten betroffen ist, beinahe täglich neue Rekorde bei den Infektionszahlen vermeldet werden müssen und die „America first“-Devise von US-Präsident Trump durch die weltweite Höchstzahl an Corona-Toten auf traurigste Weise bestätigt wird, ist für viele hier unbegreiflich – ebenso wie der Umgang des mächtigsten Mannes der Welt mit dem klitzekleinen Virus. Schaut man auch jenseits des großen Teiches kopfschüttelnd auf die Trumpsche Corona-Politik? Claudia und Thomas Orth können sich eine Meinung erlauben: Anderthalb Jahre lebten sie in den USA, seit knapp drei Wochen ist das Küllenhahner Ehepaar nun aus den Staaten zurück – wohlbehalten übrigens: ihre Corona-Tests nach der Rückkehr waren negativ.

Weil Thomas Orth als Partner einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dort beruflich zu tun hatte, war ein Vorort der Millionenstadt Tampa an der Westküste von Florida anderthalb Jahre lang das Zuhause der Küllenhahner. Aktuell liegen dunkle Corona-Wolken auch über dem Sonnenschein-Staat. Trotz der dramatischen Zuspitzung der Corona-Lage auf ihren letzten „Florida-Metern“: Angst hatten Claudia und Thomas Orth nie. In ihrem umzäunten 60-Häuser-Viertel außerhalb von Tampa vollzogen sie ihren privaten Lockdown. Und die allermeisten Nachbarn und Arbeitskollegen, so berichten die Orths, übrigens ebenso – egal, was der Präsident im fernen Washington verkündete oder sein Parteifreund, der Florida-Gouverneur DeSantis, in Tallahassee lockerte, im April zum Beispiel Wrestling – und zwar als systemrelevant!

Auch in Florida: Klopapier, Mehl, Hefe & Co. ausverkauft

Homeoffice war angesagt, nur einmal in der Woche habe man die Siedlung zum Großeinkauf verlassen, an ihren Lieblingsstrand Pass-a-Grille gingen sie höchstens noch früh morgens oder spät abends, erzählen die Orths; statt Ausgehen, Tanzen oder Tennis gab es nur Privattreffen mit Nachbarn und Freunden – auf Abstand. In den Geschäften indes sei das anders: Hier müsse man Masken tragen, im nächsten Geschäft schon nicht, ein konsequentes Corona-Konzept werde nicht gelebt: Die US-Amerikaner hätten ein ganz anderes Verständnis, sie liebten ihre persönliche Freiheit, erläutern die Orths: „Das man andere mit Masken schützen kann, zählt nicht“ – wohl aber die eigene Einschränkung. Wobei: Der Lockdown im März sei auch in den USA vollzogen worden, auch dort wurde dichtgemacht, auch dort waren Klopapier, Mehl oder Hefe ausverkauft.

Nach einem Monat aber, so berichten Claudia und Thomas Orth, habe Donald Trump den Re-Start angefeuert. Nachdem es zu Ostern nicht klappte, sollte die Öffnung zum „Spring Break“, zu dem die US-Amerikaner traditionell in den Süden fahren, klappen – getrieben durch die fehlende Absicherung in Form von Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld oder das breitmaschige Gesundheitssystem: „Der wirtschaftliche Faktor ist das Problem – das soziale Netz dort fehlt.“ Während Floriada wieder aufmachte, blieben sie „brav“ daheim – live am Fernseher staunten Claudia und Thomas Orth über das Trump-Briefing, in dem der Präsident das Trinken von Desinfektionsmitteln oder Sonnenbäder propagierte: „Wir haben gedacht: ,Das kann doch nicht wahr sein, der muss besoffen sein‘“, erinnern sich die Orths: Trump praktiziere Populismus pur – „jeder andere Präsident hätte persönliche Worte zu finden versucht, Trump hingegen spaltet“, finden die Küllenhahner.

„Die zweite Krise ist seine Krise – das merken die Leute“

Und das schlage nun gegen Trump durch, zusätzlich befeuert durch den Tod von George Floyd und die daraus resultierende „Black lives matter“-Bewegung, welche breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden habe. Der erste Corona-Lockdown könne Trump nicht angelastet werden, für die aktuelle zweite Krise aber sei er (mit-)verantwortlich. Auch in Tampa würden nun die Behandlungsplätze in den Krankenhäusern knapp – „das merken die Leute jetzt“, wissen die Orths. Dass Trump in der Doppel-Krise (Corona/George Floyd) nicht fürsorglich reagierte, wirke quer durch die Gesellschaft: „Es gibt eine gewisse Trump-Antipathie“, lautet der Eindruck der Orths: „Wir gehen nicht davon aus, dass er wiedergewählt wird.“

So ganz sicher sind sie sich aber doch icht, denn: Es gebe sie weiterhin, die unverbesserlichen Trump-Fans. Und bis zur Wahl im November könne noch einiges passieren. Dass Trump diese Woche eine 180-Grad-Wende in Sachen Masken hinlegte, halten Claudia und Thomas Orth für unlaubwürdig: Es fehle ein Konzept, US-Chefimunologe Fauci werde von Trump öffentlich vorgeführt, noch dazu machten die Gouverneure weiterhin, was sie für richtig halten: „Es fehlt die Konstante, das Einheitliche“, befinden die Orths.

„Situation in Deutschland ist ein Privileg…“

Und umso mehr schätzen sie, wie in Deutschland mit der Corona-Krise umgegangen wird: „Das ist hier unglaublich professionell und gut gemanagt worden“, loben Claudia und Thomas Orth die bundesweite Strategie als „ein Kontrast-Programm zu Trump“: „Wir fühlen uns sehr wohl hier und schätzen unser ruhiges Zuhause am Waldrand – das ist ein Privileg.“ Wenn die Krise hüben wie drüben überstanden ist, wollen sie auf jeden Fall wieder Florida besuchen – denn sie haben dort viele freundliche Menschen kennen und schätzen gelernt: „Wir vermissen schon jetzt unsere Freunde“ – und sie sorgen sich auch um sie…

Florida: 25-mal höhere Infektionsrate als in Deutschland

Mitte Juli wurde mit rund 12.000 Fällen der Höchststand an Neu-Infektionen in Florida registriert. Insgesamt wurden dort (Stand: 22. Juli) laut Johns-Hopkins-Universität rund 360.000 Menschen infiziert, rund 5.000 Corona-Tote sind hier zu beklagen. Zum Vergleich: Deutschland mit fast viermal so vielen Einwohnern hat „nur“ rund 200.000 Corona-Infizierte und rund 9.000 Tote mit COVID-19 zu beklagen – zuletzt wurden hier täglich rund 450 Neuinfektionen registriert, etwa 25-mal weniger als in Florida.