22.06.2022, 10.43 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Von Tagesschau bis Ukraine-Krieg: Ulrike Schrader im „Portrait“

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Begegnungsstätte-Leiterin Dr. Ulrike Schrader mit ihren Gastgebern in der Ev. Gemeinde Küllenhahn, Martin Probach (li.) und Prof. Dr. Martin Fleuß, den Initiatoren der Reihe „Portrait“. | Foto: Meinhard Koke

„Wenn jemand etwas über das jüdische Leben in Wuppertal weiß, dann ist es Dr. Ulrike Schrader“, so führten Prof. Dr. Martin Fleuß und Martin Probach in den Abend ein: Mit Schrader war die Gründungsdirektorin der „Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal“ in der Reihe „Portrait“ der Evangelischen Gemeinde Küllenhahn in die Nesselbergstraße gekommen. Wie Schrader berichtete, war es ein „Zufall“, dass sie 1994 zur Gründungsleiterin der Begegnungsstätte wurde: Bei der Stadtbibliothek beschäftigt, erfuhr sie, dass die bald eröffnende Begegnungsstätte eine Leiterin suchte – Schrader bewarb sich und kam am 15. April 1994 direkt in die Tagesschau. Selbst die Hauptnachrichten, so erinnerte sich Schrader, berichteten von der Eröffnung mit Ministerpräsident Johannes Rau oder auch dem damaligen Vorsitzenden des Zantralrates der Juden, Ignatz Bubis – schließlich zählte die Begegnungsstätte zu den ersten derartigen Gedenkstätten in NRW.

Jüdische Gemeinde: Durch Nazi-Zeit total gewandelt

Im Interview erläuterte Ulrike Schrader, dass sich die jüdische Gemeinde Wuppertal nach der Befreiung von den Nazis zwar recht rasch wiedergründete. Die Zuhörer im Gemeindehaus erfuhren, dass sich das jüdische Leben Wuppertals jedoch völlig gewandelt habe. Ganz überwiegend sei die Gemeinde dem Holocaust zum Opfer gefallen oder ausgewandert: „Das damalige unglaubliche Spektrum jüdischer Vielfalt gibt es nicht mehr.“ Bis in die 1980er-Jahre schrumpfte die Gemeinde so stark, dass der Zusammenschluss mit Düsseldorf nahte. Dann jedoch ließ der Zusammenbruch der Sowjetunion Juden aus dem damaligen Ostblock auch nach Wuppertal strömen – über 2.000 Mitglieder zählt die Gemeinde heute. Ihre Kultur ist völlig anders geprägt als die der einstigen jüdische Kultur Deutschlands.

Gedenkstätte-Museum: Die Familien-Besucher fehlen

Die Begegnungsstätte hält Kontakt zu etwa 300 Zeitzeugen, überwiegend handelt es sich dabei um Kinder und Enkel einstiger Wuppertaler Juden. Von jenen, die 77 Jahre nach der Nazi-Zeit noch leben, besteht Verbindung zu drei Zeitzeugen. In 330 Portraits berichtet die Begegnungsstätte indes vom früheren Judentum in Wuppertal, auch um mit Klischees aufzuräumen und dessen einstige Vielfalt aufzuzeigen, denn: „Das Judentum ist kein Abziehbild“, betonte Ulrike Schrader.

Auf die Frage, in welcher Form Erinnerungskultur gelebt werden sollte, mahnte die Gedenkstätte-Leiterin zu weniger „schlechtem Gewissen“, aber mehr Qualität. Auch den Bezug zum Ukraine-Krieg zog der „Portrait“-Abend: Was die russische Begrifflichkeit der „Entnazifizierung“ bei ihr auslöse, wollten Martin Fleuß und Martin Probach wissen. Ulrike Schrader rief in Erinnerung: Viele der Orte in der Ukraine, die nun in den traurigen Mittelpunkt rückten, seien Orte der Nazi-Massaker an Juden. Auch die „verschwörungsfantastischen“ Thesen Putins hätten „sehr viele Ähnlichkeiten“ zu Hitler: „Das entbehrt jeder Grundlage“, stellte die Gedenkstätte-Leiterin klar.

Begegnungsstätte: Infos & Öffnungszeiten

Die Begegnungsstätte Alte Synagoge ist dienstags bis freitags sowie jeden 1. Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 3 Euro (ermäßigt 1,50 Euro). An jedem 1. Sonntag und Dienstag im Monat gibt es eine kostenfreie öffentliche Führung durch die Dauerausstellung. Mehr Infos unter Telefon 563-28 43 oder /-29 58 sowie online unter alte-synagoge-wuppertal.de.