02.08.2022, 19.09 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Portrait“: Auf Gerichtspräsidentin folgt Bürgermeisterin Scherff

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„Einzel-Gastgeber“ Prof. Dr. Martin Fleuß mit Landgerichts-Präsidentin Dr. Annette Lehmberg beim letzten „Portrait“-Abend im Gemeindehaus Küllenhahn. | Foto: Meinhard Koke

Juristen unter sich waren beim letzten Abend in der Reihe „Portrait“: Zu Gast im Gemeindehaus Küllenhahn war mit Dr. Annette Lehmberg die Präsidentin des Wuppertaler Landgerichts. Weil Co-Gastgeber Martin Probach noch im verspäteten Zug saß, „interviewte“ sie mit Prof. Martin Fleuß, seines Zeichens Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, ein „Kollege“ im Alleingang. „Wir haben heute einen juristischen Abend“, merkte Martin Fleuß aber auch mit Hinweis darauf an, dass im Publikum an der Nesselbergstraße auch Annette Lehmbergs Ehemann Platz genommen hatte: Hermann Lehmberg ist Richter am Solinger Amtsgericht – und damit sozusagen seiner Frau unterstellt. Zum Gerichtsbezirk gehören neben dem Landgericht Wuppertal nämlich die Amtsgerichte Wuppertal, Mettmann, Remscheid, Velbert und auch Solingen.

Gastgeber Martin Fleuß „klopfte“ zunächst die Vita von Wuppertals oberster Richterin ab: Annette Lehmberg ist seit 2018 Wuppertaler Landgerichts-Präsidentin. Das war sozusagen ein „Comeback“: Die gebürtige Solingerin, die 1990 in den richterlichen Dienst des Landes eintrat, war von 1993 bis 1996 als Richterin am Landgericht Wuppertal tätig. Anschließend war die Mutter eines Sohnes Referatsleiterin im NRW-Justizministerium, 1999 wurde sie zur Richterin am Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf ernannt. Nachdem Lehmberg ab 2007 als Leitende Ministerialrätin im Justizministerium tätig war, wurde sie im Jahr 2014 zur Präsidentin des Landgerichts Mönchengladbach ernannt.

„Traut man Justiz nicht zu“: Gerichtsumzug in vier Tagen

Martin Fleuß entlockte der leidenschaftlichen Schalke 04-Anhängerin im Laufe des „Portrait“-Abends zum Beispiel, dass ihre Zeit am OLG in der Landeshauptstadt „spannend“ gewesen sei: Schließlich sei man damals aus einem repräsentativen Altbau in der Düsseldorfer Altstadt, der anschließend übrigens zu einem Luxushotel wurde, in einen „sehr kreativen Neubau“ gewechselt: Mit 1.000 Mitarbeitern in vier Tagen umzuziehen, „das war eine ganz schöne Leistung, das traut man der Justiz gar nicht zu“, blickte Lehmberg zurück.

Landgericht: Einziges Gericht Deutschlands auf einer Insel

Auf Martin Fleuß‘ Anmerkung, dass er mit dem Bundesverwaltungsgericht im historischen Leipziger Reichsgerichtsgebäude in einem der schönsten Gerichtsgebäude Deutschlands tätig sei, zeigte sich die Juristin mit ihrer aktuellen beruflichen Heimat sehr zufrieden. Immerhin, so wusste Lehmberg zu berichten, sei das von einem Schinkel-Schüler errichtete und 1854 eingeweihte Gebäude des Landgerichts Wuppertal eines der ältesten Gerichtsbauwerke Deutschlands – und das wohl einzige auf einer (Gerichts-)Insel: „Das Schönste ist der Schwurgerichtssaal“, schwärmte die Gerichtspräsidentin – und ermunterte damit ihren Gastgeber, nach der Möglichkeit zu einer Besichtigung zu fragen: „Wenn Corona vorüber ist“, sagte Lehmberg zu.

„Auszeit“ vom „Drehtür-Büro“ in der Kantine

Auf Nachfrage von Martin Fleuß gewährte die 59-Jährige auch Einblicke in ihren Alltag als „Chefin“ von rund 200 GerichtsmitarbeiterInnen, 67 RichterInnen und rund 250 ReferendarInnen: Es gebe keinen typischen Tag, ließ die Juristin wissen. Gerne sei sie bereits um 7.30 Uhr in ihrem Büro, denn ab 9 Uhr gehe es rund: „Dann habe ich Drehtür“, berichtete Annette Lehmberg – „wer Bedarf hat, kommt rein“. Die Juristin „outete“ sich als Gerne-Kantinen-Gängerin: Mittags am großen Tisch mit vielen RichterInnen zusammenzusitzen – „ich genieße diese gedankliche Auszeit“. Weniger genussvoll war die Corona-Zeit für die Präsidentin: Das Gericht sei von heute auf morgen zu gewesen („Bis auf unabdingbare Sachen“), als „Verwaltungschefin“ musste sie in Windeseile Einbahnstraßen einrichten oder die Bestuhlung in den Sälen anpassen sowie Trennscheiben, Desinfektionsmittel oder Masken organisieren, der Publikumsverkehr wurde auf ein Minimum reduziert. Aber Corona habe auch sein Positives gehabt: Digitale Terminvergabe, Video-Verhandlungen, ein Schub für die elektronische Akte und dadurch vermehrt Homeoffice: „Das hat sich eingespielt, aber dadurch ist auch sozialer Kit verlorengegangen.“

Hoffnung auf „Normalzeit“, BUGA und den WSV

„Das war schon eine herausfordernde Zeit“, blickte Lehmberg auf die vergangenen zwei Corona-Jahre zurück, „und dann kam die Wupper“: „Wir haben hart erleben müssen, wie es ist, wenn die Gerichtsinsel ohne Strom dasteht“, erinnerte sich die Juristin an das Jahrhundert-Hochwasser im Juli 2021: „Es wäre schön, wenn mal wieder Normalzeit wäre.“ Schön fände es Lehmberg auch, wenn sich Wuppertal („Die Stadt war mal eine große Nummer“) verstärkt „aufpolieren“ würde: „Das wäre was.“ Die Stadt habe kein gutes Image, werde bei Bewerbungen von Jung-Juristen höchstens an dritter und letzter Stelle genannt („Wenn überhaupt“) – Wuppertal verkaufe sich unter Wert, befand Annette Lehmberg. Die Präsidentin indes findet ihre berufliche Heimat interessant. Lehmberg freut sich auf die Bundesgartenschau 2031, die Fußball-Kennerin und Schalke 04-Dauerkartenbesitzerin hofft auf den Aufstieg des WSV, Lehmberg wünscht sich, dass Wuppertal offener wird: „Das tut dieser Stadt gut, das wertet sie auf!“

Bezirksbürgermeisterin Miriam Scherff am 5. August zu Gast

Nach Wuppertals oberster Richterin ist nun Cronenbergs erste Bürgerin in der Reihe „Portrait“ an der Nesselbergstraße 12 zu Gast: Mit Miriam Scherff stellt sich am kommenden Freitag, 5. August 2022, die Bezirksbürgermeisterin Cronenbergs den Fragen von Prof. Dr. Martin Fleuß und seines Co-Gastgebers Martin Probach. Der Abend mit der Wahl-Küllenhahnerin und SPD-Kommunalpolitikerin beginnt um 19.30 Uhr, der Eintritt ist wie immer frei. Mehr Infos zur Gemeinde online unter kirche-kuellenhahn.de.