12.06.2023, 19.06 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Die Addams Family“: Premierenjubel im TiC-„Musicaldome“
Licht aus, Spot an im TiC-Atelier Unterkirchen: Das legendäre „eiskalte Händchen“ – eine Hand, welche zwar abgetrennt ist, aber weiter ein Eigenleben führt – tippelt auf Fingerspitzen den roten Bühnenvorhang auf und ab und schnipst zur Musik – noch bevor der Vorhang zum neuen Musical „Die Addams Family“ im TiC-Theater aufgeht, gibt es ein erstes „Wow“. Das nächste folgt auf dem Fuße: Als sich der schwere rote Samt öffnet, fällt der Blick auf eine düstere Friedhofskulisse – „wow“, Jan Bauerdick und Benedikt Fiebig, die TiC-Bühnenbildner, haben es wieder geschafft – auf der kleinen Atelierbühne sind große Ortswechsel möglich. Als die Addams dann singend und tanzend die Szenerie entern, kommt abermals Begeisterung auf: Auch Noëlle-Magali Wörheide hat „gezaubert“ – die Kostüme der „gruseligen“ Eltern Gomez und Morticia, ihrer Kinder Pugsley und Wednesday sowie von Oma und Onkel Fester, aber auch von Butler Lurch sind alles andere als gruselig – „wow“!
Und so zieht sich die Begeisterung quer durch das Stück: Auch wer die vielleicht schrägste Familie der Fernseh- und Kinowelt nicht kennt und/oder Vorbehalte gegen den kuriosen US-Stoff hegt, wird durch die TiC-Adaption von Dustin Smailes in den Bann gezogen. Die „Addams Family“, ein krasser Gegenentwurf zur stinknormalen US-Allerweltsfamilie köpft Vögel, foltert, hat ihre Freude an Elektroschockern, fühlt sich auf Friedhöfen pudelwohl, sehnt sich nach der Kanalisation von Paris mit „Monsterratten“ – und trägt bevorzugt dunkle Kleidung: „Normal ist eine Illusion“. Und Unglück eher das größte Glück der Addams. Doch dann geschieht es: Tochter Wednesday (Giulia D‘Accquisto) findet ihr Glück und verliebt sich in Lucas (Victor Kuhlen), sprich, sie könnte ihm das Fleisch vom Körper reißen und ihn aufessen.
Nach dem Dinner geht der Kelch der Enthüllung um
„Ich glaube, etwas stimmt nicht mir ihr“, unkt Mutter Morticia (Anja Bielefeld): „Sie lächelt“ – „Houston, wir haben ein Problem“, lautet da die Devise, zumal Lucas sie heiraten will. Wednesday zieht ihren Vater ins Vertrauen. Der ist zwar nicht begeistert, aber: Lucas ist Pathologe – „wie hast du ihn gefunden“, zeigt sich Gomez vom (leichenfleddernden) Amor fasziniert. So gruselig die Addams sind, so herzensgut sind sie doch einander gesinnt – und so lässt sich Mutter Morticia, trotz aller Vorbehalte – zum Dinner mit Lucas und dessen Eltern bewegen. Doch die Familienkonferenz beschließt: Nach Drinks und Dinner kommt es als „dritter Gang“ auf die Tafel in der düster-maroden Addams-Stadtvilla: „das Spiel“. „Dann aber bitte normal“, fleht Wednesday ihre Familie an, schließlich heißt das Spiel „Sag‘ die Wahrheit“ und hat den Untertitel: „Schau‘ den Dämonen direkt ins Gesicht“.
Auch wenn sich die Addams – so weit das geht – im Zaume halten, gerät das spielerische Dessert (eine Szenerie wie beim „letzten Abendmahl“ von Leonardo da Vinci) alles andere als „normal“: Der eifersüchtige Pugsley hat ins Getränk im „Kelch der Enthüllung“ eine Droge aus der Natur-Apotheke der Oma gemixt. Doch an Schwester Wednesday, die er damit Lucas abspenstig machen will, geht der Kelch vorüber. Vielmehr trinkt Lucas‘ Mutter Alice (Nina Jestel) von dem „Wahrheitstrunk“ – nun übernimmt der „Gott des Gemetzels“ die Regie an der Tafel…
Blankes Entertainment im TiC-„Musicaldome“
Wie das Dinner der makabren Horror-Familie mit den nun entfesselten Spießereltern Alice und Mal (Dennis Gottschalk) endet, das sei nicht verraten. Vorab: Die Grenzen von „normal“ und „nicht normal“ verschwimmen…! Und es bleibt unterhaltsam: Schöne Melodien (arrangiert von TiC-Musikchef Prof. Stefan Hüfner), klasse Stimmen (allen voran Victor Kuhlen, Florian Siegmund und Giulia D‘Accquisto, besondere Gratulation an Leon Gleser und Anja Bielefeld) sowie flotte Choreografien (einmal mehr macht „Meister“ Paul Kribbe dem TiC-Ensemble wunderbar (Tanz-)Beine, sogar mit Rollator, und sogar dem schneckenlahmen Butler Lurch) – Zuschauer, was willst du mehr?!
Im TiC-Atelier aber gibt’s mehr: Die skurrilen Addams-Charaktere sind beeindruckend gezeichnet. Ganz besonders wissen Giulia D‘Accquisto, Leon Gleser und Anja Bielefeld zu glänzen – Saskia Deer als schräge Oma und Florian Siegmund als „mondsüchtiger“ Onkel Fester stehen den alles andere als gruseligen Hauptakteuren kaum nach! Zudem ist der Comedy-Horror gespickt mit Gags, zum Finale legt das TiC-Musical sogar eine glatte Mondlandung hin – Kompliment an Dustin Smailes und seine „Crew“: Mit „Die Addams Family“ greift das Cronenberger Theater nach den Sternen – blankes Entertainment in Unterkirchen!
Weitere Infos & Karten
Karten für das Musical „Die Addams Familiy“, deren Premiere mit langanhaltendem Applaus und stehenden Ovationen gefeiert wurde, gibt es unter Telefon (0202) 47 22 11, im Theaterbüro an der Hauptstraße 3 sowie online unter tic-theater.de.