12.11.2024, 20.02 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Saturday Night Fever“: Die Disco-Welle schwappt ins TiC-Atelier!
Licht aus, Spot an: In der Kulisse einer Straßenschlucht vor der Brooklyn Bridge (Bühnenbild: Jan Bauerdick / Frank Fischer) herrscht trubeliges Hin und Her, Nachrichten ertönen aus dem Off – wir befinden uns im New York der 1970er-Jahre. Es ertönen die ersten Takte von „Stayin‘ Alive“, als Chor intoniert das TiC-Ensemble die Disco-Hymne der Bee Gees – wir geraten im Atelier Unterkirchen des TiC-Theaters umgehend ins Disco-Fieber…! Die Handlung des Tanzfilms ist indes alles andere als „Disko“: „Saturday Night Fever“ spielt im bescheidenen Brooklyn. Hier lebt der junge Italoamerikaner Tony Manero. Im streng katholischen Elternhaus ist der Bruder, ein Pfarrer, der ganze Stolz – Tony ist das Schwarze Schaf. Seine Kasse ist immer knapp, als Verkäufer in einem Farbengeschäft führt er ein Leben, so grau wie sein Verkäuferkittel.
Die Discothek als Fluchtpunkt und Sprungbrett
Nicht aber am Wochenende: „Heute Nacht beginnt meine Zukunft“, heißt es Samstagnacht: Es geht in die Diskothek! Hier ist Tony in seinem weißen Anzug der „König der Tanzfläche“, mit besten Chancen bei den Frauen – und beim Tanz-Wettbewerb…! Abseits der Tanzfläche dreht es sich mit seinen Kumpels ums Abschleppen von Frauen, um Ärger mit gegnerischen Gangs oder, wenn ein „Date“ auf dem Autorücksitz „schief“ gegangen ist, um die Frage: Heiraten oder nicht…? Tony tickt da aber anders: Er will sich aus der Tristesse raustanzen. Annette, die sich und ihren Körper ihm geradezu andient, ist für Tony ein „Flittchen“; als er Stephanie erblickt, ist er hin und weg…! Sie ist anders, sie ist fast unnahbar, sie hat den Sprung ins gelobte Manhattan (scheinbar) geschafft – Annette ist raus, mit Stephanie will Tony nun bei dem Tanz-Wettbewerb antreten…
Teilweise eine heute verstörende Milieustudie
Sie gibt ihm aber einen Korb – Tony ist unter ihrem Niveau. Das verstärkt nur sein Interesse: Er lässt nicht locker und kann Stephanie gewinnen – als Tanzpartnerin…! Fixiert auf „Steph“ und den Contest gerät die Clique derweil ins Abseits: Annette sucht Trost im Alkohol, und wird von Double Jay und Joey vergewaltigt…! Der verzweifelte Bobby, der seine geschwängerte Freundin heiraten soll, stürzt von der Brücke zu Tode. Zuvor hatte er Tony um Hilfe gebeten, doch der war mit „Steph“ beschäftigt – das schlechte Gewissen stürzt Tony in die Krise…! Wer einst durch „Saturday Night Fever“ von der Disco-Welle mitgerissen wurde, wundert sich: Manche Szenen des Kult-Tanzfilms sind fast verstörend, einiges, so das frauenfeindliche Bild, wirkt befremdlich…! Regisseur Ralf Budde arbeitet es fein heraus: Das Subkultur-Drama ist ein Dokument seiner Zeit; einer Zeit, in der die Jugend raus aus ihren Milieus wollte, in der sie überstrenge Regeln über Bord warf – zum Beispiel in der Disco…!
Die Bee Gees-Hymnen „tiefergelegt“ und rockiger
Dass Stefan Hüfner den legendären Soundtrack des Blockbusters nicht in der so Bee Gees-typischen Falsett-Stimmlage und zudem rockiger arrangiert hat, ist ungleich passender zu dem rauhen Sittengemälde! Ganz in der „Tradition“ von John Travolta kommt indes Maximilian Leuchter als TiC-Tony daher: In seinem weißen Anzug (Kompliment an Maya Fichtel und Noelle Wörheide auch für das Glitzer-Outfit von Gloria), mit Schmalz in den Haaren (Maske: Elke Quirmbach), seinem eindrücklichen Spiel sowie tollem Gesang und perfektem Brooklyn-Shuffle bewegt sich Maximilian Leuchter nicht in zu großen Tanzschuhen! Leonie Hackländer kommt nicht nur wegen des roten Kleids der Film-Stephanie nahe. Glaubwürdig arbeitet Hackländer auch die Ambivalenz der „kleinen“ Brooklyn-Frau, die in Manhattan groß rauskommen will, heraus: ihre (scheinbar) selbstbewusste Unnahbarkeit hier und die (innerlich) große Unsicherheit dort. Hackländer weiß auch tänzerisch und gesanglich zu überzeugen: Die Duette zu „More Than a Woman“ oder „What Kind of Fool“ – verzückend!
Stars in den Nebenrollen
Qua ihrer (Neben-)Rollen stehen Alexander Klein als Double J, Vassilis Sachinidis als Chef Fosco oder Pablo und Jay, Astrid Gottschalk als Tonys Mutter, Kundin oder Disco-Gästin und Victor Kuhlen als Bobby C (ergreifendes „Tragedy“-Solo!) am Rande des Scheinwerferkegels. Bei den Tanzszenen (mitreißende Choreografie: Laura Trompetter) oder den Gesangseinlagen im Chor beweist das „Night Fever“-Ensemble insgesamt seine Klasse. Nicht vergessen werden dürfen der „Wirbelwind“ Livia Caruso sowie Lucy Martens: Mit Bravour meistert Martens die Verzweiflung der „verstoßenen“ Annette, ihre Ballade „If I Can’t Have You“ – ein Gänsehaut-Moment! Und eine stiehlt Stephanie fast die Schau: Anja Bielefeld! Ob als DJane Gloria, die – quasi wie ein gesungener roter Faden – mit Soli („Disco Inferno“!) von Szene zu Szene überleitet, oder als kesse Kellnerin, Bielefeld begeistert. Um es so auszudrücken: Bielefeld ist nicht Brooklyn, sie ist Manhattan…!
„SNF“: Aufnahme ins „TiC-Musical-Register“ verdient
Das kleine TiC hat sich einmal mehr eines großen Stoffs angenommen – es hat geliefert! Immer wieder Szenenapplaus und zum Schluss Standing Ovations: So wie der Kinohit als „besonders erhaltenswerter US-Film“ in das „National Film Registry“ aufgenommen wurde, dürfte „Saturday Night Fever“ in die Musical-Annalen des TiC-Theaters eingehen – das Disco-Fieber ist programmiert! Karten für Ausflüge in die Disco-Ära der 1970er-Jahre im TiC-Atelier sind unter Telefon (0202) 47 22 11 im TiC-Kartenbüro an der Hauptstraße 3 oder auch im Netz unter tic-theater.de buchbar.