05.09.2021, 17.53 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Hochwasserschutz: Berger-Chef und IHK stellen Warnsystem vor

Artikelfoto

Machte sich schon wenige Tage nach der Hochwasser-Katastrophe daran, ein Frühwarn-System zu entwickeln: Dr. Andreas Groß, der Geschäftsführer der Berger-Gruppe in der Kohlfurth. | Foto: Meinhard Koke

Kohlfurther Unternehmer und IHK-Vizepräsident Dr. Andreas Groß initiiert ein Messsystem, das künftig frühzeitig vor Hochwasser warnen könnte – auch aufs Handy.

„Das Hochwasser kommt wieder“, ist sich Dr. Andreas Groß sicher: „Wir können jetzt nicht Jahre warten, wir müssen schnell was machen – jetzt“, richtete der Chef der Berger-Gruppe am vergangenen Dienstag, 31. August 2021, einen eindringlichen Appell an Stadt, Wupperverband und Politik. Aber Groß fordert nicht nur, er lieferte auch: Der Kohlfurther Unternehmer hat ein internetbasiertes Warnsystem entwickelt – das sogenannte „Bergische Hochwasserschutz-System 4.0“ könnte frühzeitig vor drohenden Wupper-Fluten warnen.

„Wir brennen dafür“, äußerte sich Andreas Groß auch persönlich „emotionalisiert“: Bei der Hochwasser-Katastrophe am 14./15. Juli wurde seine Heinz Berger Maschinenfabrik schließlich stark getroffen. Etwa 7.200 Quadratmeter der rund 8.000 Quadratmeter Produktionsfläche an der Kohlfurther Brücke standen unter Wasser – den Schaden beziffert die Dörper Firma auf etwa 850.000 Euro. Und der hätte noch viel höher ausfallen können: Nur weil Groß in der Unwetter-Nacht selbst die Rolltore seiner Produktionsgebäude gegen die steigenden Fluten sicherte, konnte der Wasserstand in den Hallen des Hightech-Maschinenbauers auf 25 Zentimeter begrenzt und gemeinsam mit herbeigeeilten Mitarbeitern Elektronik und Maschinen gerettet werden (die CW berichtete).

Noch einmal in der Nacht überrascht werden und (zunächst) allein gegen Fluten ankämpfen, will Andreas Groß nicht – deshalb tüftelte er mit seinen Mitarbeitern das Hochwasser-Frühwarnsystem für die Wupper aus, welches auch Vorbild für andere Regionen werden könnte. Die Bergische Industrie- und Handelskammer (IHK) hat Berger-Chef Andreas Groß bei seinem Hochwasser-Frühwarnsystem entlang der Wupper nicht nur auf seiner Seite, weil er deren Vizepräsident ist. IHK-Präsident Henner Pasch und Hauptgeschäftsführer Michael Wenge sagten Groß auch ihre volle Unterstützung zu, weil es gelte, „weitere Katastrophen dieser Art zu verhindern“.

Anzeige

Hochwasser: 300 Millionen Euro Schaden bei IHK-Unternehmen

Schließlich sind laut IHK durch das Hochwasser im Juli schätzungsweise 1.500 Unternehmen im bergischen Städtedreieck betroffen worden – geschätzter Schaden: etwa 300 Millionen Euro. Damit es zu einer Katastrophe in diesem Ausmaß nicht wieder kommen kann beziehungsweise Firmen und Anwohner rechtzeitiger vor einer nahenden Flut gewarnt werden und reagieren können, wollen die IHK und Unternehmer Andreas Groß engmaschig Messsensoren entlang der Wupper und ihrer Zuflüsse sowie an Regenrückhaltebecken und Talsperren installieren lassen.

Im Rahmen des „Bergischen Hochwasserschutz-Systems 4.0“ sollen zum Beispiel entlang des rund 116 Kilometer langen Wupper-Laufes 60 der Pegel- und Regenmengen-Messsysteme eingerichtet werden. Wie Initiator Groß erläuterte, gebe es bislang nur vier Messeinrichtungen zwischen der Kluse in Elberfeld und Opladen – drei davon seien während des Hochwassers ausgefallen: „Die Talsperren werden also sozusagen blind gesteuert“, bemerkte Andreas Groß dazu.

Initiator Dr. Andreas Groß, Chef der Berger-Gruppe in der Kohlfurth, und IHK-Präsident Henner Pasch (re.) stellten das Konzept für das „Bergische Hochwasserschutz-System 4.0“ vor. | Foto: Meinhard Koke

Initiator Dr. Andreas Groß, Chef der Berger-Gruppe in der Kohlfurth, und IHK-Präsident Henner Pasch (re.) stellten das Konzept für das „Bergische Hochwasserschutz-System 4.0“ vor. | Foto: Meinhard Koke

Demonstrator“-Sensoren bereits im Einsatz

Auf der anderen Seite, so der Berger-Chef weiter, gebe es Pegel- und Regenmengen-Messsensoren längst, in Oxford oder am Bodensee seien sie bereits im Einsatz, in Ostwestfalen-Lippe ein Modellprojekt im Aufbau. Auch würden Sensoren zum Beispiel bereits von der Abfallwirtschaftgesellschaft eingesetzt, um den Füllgrad ihrer Recycling-Container zu überwachen und die nötige Leerung anzuzeigen.

Platzregen am Freitag: Sensor bringt zwei Stunden Vorlauf

„Wir gewinnen hier keinen Nobel-Preis“, unterstrich Groß also dazu, das man das Rad keineswegs neu erfinde: „Aber wir können das als Modell-Region hier weiterentwickeln.“ Um das „Demonstrator-System“ zu testen, wurden am Islandufer und an der Kohlfurther Brücke bereits Sensoren angebracht. Dass allein dieser Klein-Testlauf Sinn mache, erläuterte Andreas Groß an einem simplen Beispiel: Am vergangenen Freitag habe es einen Platzregen in Elberfeld gegeben, während es in der Kohlfurth trocken geblieben sei.

Der Islandufer-Senor habe daraufhin einen Anstieg des Wupper-Pegels angezeigt, der nach etwa zwei Stunden die Kohlfurth erreichte und vom dortigen Sensor registriert wurde: „Wir können mit diesem Vorlauf kein Hochwasser verhindern, aber in den zwei Stunden kann man schon was machen“, unterstrich Andreas Groß – um zum Beispiel Haus oder Firma beziehungsweise Hausrat oder Maschinen besser zu sichern, oder natürlich Menschenleben. Verknüpft mit Prognosen des Wetterdienstes und den Informationen des Wupperverbandes könne man so Pegelstände besser und mögliche Hochwasser früher vorhersagen – möglichst per schneller Info über Bürger-Apps direkt aufs Handy.

Mit Hochwasserschutz-System Modellregion werden

Gemeinsam mit der IHK will der Berger-Chef jetzt rasch alle Beteiligten wie die Anrainer-Städte der Wupper, Land, Wupperverband oder auch Stadtwerke und Uni Wuppertal ins Boot holen, damit das „Bergische Hochwasserschutz-System 4.0“ schnell auf den Weg gebracht werden kann – vielleicht als Modellregion und mit Fördermitteln, um das System auch anderen Hochwasser-gefährdeten Regionen zur Verfügung stellen zu können. IHK-Präsident Henner Pasch zeigte sich zuversichtlich: Die Oberbürgermeister im Städtedreieck hätten verstanden, „dass es jetzt schnell gehen muss“, berichtete Pasch nach ersten Gesprächen: „Bei 300 Millionen Euro Schaden allein im Bergischen „muss das leistbar sein“, so der IHK-Chef. Andreas Groß fügte hinzu: „Jetzt ist das Eisen heiß, jetzt muss es geschmiedet werden, jetzt müssen wir machen…!“

Zwei Test-Sensoren im Einsatz

Die Messdaten der beiden „Demsonstrator-Sensoren“ am Islandufer und an der Kohlfurther Brücke sind online unter wupper-pegel.de abrufbar.

Alle bisherigen CW-Berichte zu der Hochwasser-Katastrophe sind hier aufrufbar.