13.07.2022, 18.07 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Ein Jahr danach: „Bei jedem Starkregen sind wir an der Brücke…“

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Können ein Jahr nach der Flutkatastrophe von 2021 wieder lachen: Sabine Geisler (re.) und Ehefrau Raphaela Geisler-Wirth in ihrem Garten wenige Meter von der Wupper entfernt. | Foto: Meinhard Koke

Es ist eigentlich kaum zu glauben, wenn man Raphaela Geisler-Wirth und ihre Ehefrau Sabine Geisler jetzt lächelnd in ihrem schmucken Garten vis-â-vis der Kohlfurther Brücke sieht. Ein Jahr ist es her, da rollten bei dem Ehepaar die Tränen: Gerade erst hatten die Kohlfurtherinnen ihr Fachwerkhaus kernsaniert, nach einem halben Jahr Arbeit war das altbergische Haus wie neu, da legte das Jahrhundert-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 (die CW berichtete mehrfach) alles „in Schutt und Asche“: „Das war hart, sehr hart – es war ja gerade alles wieder schön“, blicken die beiden Betroffenen zurück: „Wir waren hilflos und haben gedacht: Sowas wünscht man seinem ärgsten Feind nicht.“

„Freunde haben uns geführt – wir waren hilflos“

Rund 170.000 Euro Schaden, so schätzen die Kohlfurtherinnen, richtete das Extrem-Unwetter bei den Geisler-Wirths an – in den Tagen „danach“ „war mein Gehirn ausgeschaltet“: „Freunde haben uns geführt“, erinnert sich Raphaela Geisler-Wirth an die Schreckenstage Mitte Juli 2021: „Sie haben die Regie übernommen, wir waren hilflos.“ Zwar haben sich die letzten Handwerker noch immer nicht ganz verabschiedet, „letzte Feinheiten“ fehlen noch, ein Jahr später sitzen Sabine Geisler und Raphaela Geisler-Wirth aber wieder lächelnd auf dem „Regiestuhl“ in ihrem Garten: Dass dieser kniehoch unter Wasser stand, ist nicht mehr zu erahnen, die Wochen, die sie auf dem Sofa in der ersten Etage schlafen, bei Freunden duschen und bei den benachbarten Museumsbahnen auf die Toilette („Wir hatten eine immerhin…“) gehen mussten, sind längst vorüber.

Enorme Hilfsbereitschaft: „Die kamen sogar aus Köln…“

Aber nicht vergessen: „Diese Zeit war definitiv nicht schön – da merkt man, was ein Bett, Dusche und Toilette für ein Luxus sind“, unterstreicht das Ehepaar, fügt aber dennoch hinzu: „Wir können uns nicht beklagen.“ Denn: Die Geisler-Wirths waren versichert – und es wurde anstandslos gezahlt; Überraschung, auch eine Hochwasser-Versicherung konnte nach der Katastrophe zusätzlich abgeschlossen werden. Zudem erwies es sich als Glück im Unglück, dass die Handwerker gerade erst die Kernsanierung abgeschlossen hatten – alle waren wieder rasch zur Stelle. Das gleiche galt für Freunde und Familie: „Sie haben für uns gesammelt, gekocht, Wäsche gewaschen“, blickt das Ehepaar dankbar auf die Hilfsbereitschaft zurück.

Ob Abfallwirtschaftsgesellschaft, die den Hochwasser-Müll abholte, die Wuppertaler Stadtwerke, welche die Anlagen wieder ans Netz brachte, die Feuerwehr, die Keller um Keller leerpumpte, die vielen ehrenamtlichen Helfer („Die kamen sogar aus Köln und Düsseldorf“), die Cronenberger Hochwasser-Hilfe und nicht zuletzt auch die Diakonie oder auch Krisenstabsleiter Johannes Slawig – „das war einfach sehr gut“, attestieren die Kohlfurtherinnen: „Wir wären verhungert und verdurstet – die Hilfsbereitschaft war enorm.“

„Die Angst, dass das Hochwasser wiederkommt, die bleibt“

Hat das Hochwasser-Unglück etwas an ihnen verändert? Ja, berichtet das Ehepaar: „Bei jedem Starkregen sind wir an der Brücke und legen die Sandsäcke bereit – man hat Angst, dass es wiederkommt“, sagen die Kohlfurtherinnen: „Das bleibt.“ Insofern „nervt“ jede Unwetter-Warnung ihrer inzwischen mehreren Warn-Apps („Die hatten wir vorher nicht.“), „aber besser einmal zu viel gewarnt als einmal zu wenig“, finden die Geisler-Wirths. Zumal sie nicht so recht glauben, dass der 14. Juli 2021 ein Jahrhundert-Ereignis war: „Ich versuche mir das einzureden“, aber bei all den Katastrophen-Meldungen von überall fällt dem Ehepaar der Glaube an eine Jahrhundert-Flut daran schwer: „Wenn das Hochwasser wiederkommt, bin ich weg“, sagt Raphaela Geisler-Wirth – „ich nicht“, gibt sich ihre Ehefrau indes „wasserabweisend“.

Solidarität: „Wir wohnen schon im richtigen Stadtteil“

In jedem Fall: „Heute sag‘ ich: ,Gut, dass wir nicht im Ahrtal oder in der Ukraine leben‘“, weiß Raphaela Geisler-Wirth ihr Hochwasser-Unglück einzuordnen. Und auch insofern wollten die Kohlfurtherinnen etwas von der „enormen Hilfsbereitschaft“, die sie erfahren durften, zurückgeben: „Wir helfen jetzt auch mal“, dachten sie sich und nahmen ein Ehepaar aus der Ukraine in ihrem Haus nebenan auf. Auch hier erfuhren die Geisler-Wirths viel Unterstützung: „Ein Aufruf und schon war eine komplette Einrichtung zusammen und später auch eine Wohnung“, zeigt sich das Ehepaar vom Zusammenhalt im „Dorf“ beeindruckt: „Cronenberg ist schon schön“, sagen Raphaela Geisler-Wirth und Sabine Geisler: „Wir wohnen schon im richtigen Stadtteil.“