19.07.2022, 17.45 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Bürgerbus: Gemeinnützigkeit & Spender weg – aber er fährt weiter!

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Frustriert: Andreas Holstein, der Vorsitzende des „Dörper Bus e.V.“, sowie seine Ehefrau Bianca, welche die „Dörpi“-Kasse hütet. | Foto: Meinhard Koke

„Zweck des Vereins ist die Förderung der Mobilität im Stadtteil Wuppertal-Cronenberg. Der Verein ergänzt und fördert den öffentlichen Personennahverkehr und stellt eine Unterstützung für ältere und behinderte Mitbürger dar.“ So hieß es bislang in der Satzung des Bürgerbus-Vereins „Dörper Bus e.V.“ und so wird es dort auch weiterhin stehen. Gestrichen werden musste indes der Passus: „Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Ziele.“ Auch der Abschnitt mit dem Wortlaut „Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“ musste raus aus der Dörper Bus-Satzung. Der Hintergrund: Der Dörper Bürgerbus wird zwar auch weiterhin „selbstlos“ durch Cronenberg unterwegs sein, um vornehmlich ältere und behinderte Mitbürger, aber zum Beispiel auch Schüler aus entlegeneren Bereichen des Stadtteils ins Dorf zu „kutschieren“. Auch werden die Fahrer auch weiterhin ehrenamtlich ohne eine Vergütung hinterm „Dörpi“-Steuer sitzen. Dennoch gelten die Cronenberger Bürgerbusler nicht mehr als gemeinnützig.

Bereits 2011 Beschluss der Finanzminister-Konferenz

Eine Regelung aus Absurdistan? Nein, vielmehr ein Beschluss der Finanzminister-Konferenz aus dem Jahr 2011: Demnach können Bürgerbus-Vereine, die den ÖPNV ergänzen und einen nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigten Verkehr durchführen, nicht mehr den Gemeinnützigkeits-Status erhalten. Das Problem dabei: Damit dürfen die Vereine keine Spenden annehmen beziehungsweise keine Spenden-Quittungen mehr ausstellen.

Das sorgte 2018 für einen Aufschrei in Cronenberg: Unter anderem versprach der damalige Oberbürgermeister Andreas Mucke, „auf den Putz zu hauen“ und den Bundestagsabgeordneten Helge Lindh einzuschalten: „Wenn das nicht gemeinnützig ist, was dann“, schüttelte Mucke beim zehnjährigen Jubiläum des Cronenberger Bürgerbus-Vereins „Dörper Bus“ (die CW berichtete) den Kopf: „Das ist absoluter Kokolores“, befand der damalige Wuppertal-OB: „Wenn man sieht, wer alles Steuervorteile genießt, dann haben das die Bürgerbus-Vereine allemal verdient.“

Politik-Zusagen: „Nie wieder was gehört…“

Bei Politikern aller Couleur stieß der Finanzminister-Beschluss auf Kritik. Ob die Bundestagsabgeordneten Jürgen Hardt (CDU) („Ich kann nicht nachvollziehen, warum dieses seit Jahren erfolgreiche Modell von der Finanzverwaltung nun in Frage gestellt wird.“) oder FDP-Kollege Manfred Todtenhausen („Für diese gesellschaftlich wertvolle Arbeit verdienen die Vereine sowohl Anerkennung als auch Unterstützung der öffentlichen Hand!“), ob die Landtagsabgeordneten Josef Neumann und Dietmar Bell (SPD), die eine Kleine Anfrage an den NRW-Finanzminister richten wollten, oder Landtagskollege Marcel Hafke (FDP), der die Kritik mit in die FDP-Fraktion zu nehmen versprach – Politiker aus Bund und Land sagten Unterstützung zu.

„Ich habe nie wieder was gehört“, zeigt sich Andreas Holstein vier Jahre später ernüchtert: „Das waren nur warme Worte – wie zu befürchten“, so der Vorsitzende des Cronenberger Bürgerbus-Vereins. Ergebnis: Nachdem das (geduldige) Finanzamt Wuppertal (immerhin erst) im vergangenen Jahr die Gemeinnützigkeit aberkannte, musste sich die Mitglieder-Versammlung des Vereins „Dörper Bus“ vergangene Woche mit der dadurch bedingten Satzungsänderung befassen. „Die Politik macht ja nichts, wir müssen das akzeptieren“, hat Bürgerbus-Chef Holstein zwischenzeitlich vor dem wiehernden Amtsschimmel „kapituliert“. „Wirklich stinksauer“ ist der „Dörpi“-Chef auf seinen Bürgerbus-Dachverband, der die Regelung sogar stützt: „Der müsste eigentlich hinter uns Vereinen stehen – aber dort sind Leute, die der Politik nach dem Mund reden.“

Keine Spendenquittungen: Sponsoren springen ab

Beim Bürgerbus-Verein schlägt die Umsetzung der Gemeinnützigkeits-Aberkennung doppelt ins Kontor: Die Stadtsparkasse hat ihre Unterstützung aufgekündigt, weil sie nur gemeinnützige Vereine sponsert, berichtet Andreas Holstein. Ein weiterer Groß-Sponsor, der den letzten Neu-Bürgerbus großzügig unterstützte, musste sein Sponsoring ebenfalls aufkündigen, weil er in wirtschaftliche Schieflage geraten ist. Zudem hat eine weitere Cronenberger Firma ihre Unterstützung eingestellt: „Das tut natürlich weh“, bedauert Bürgerbus-Chef Holstein, zumal im nächsten Jahr ein neuer Bürgerbus angeschafft werden muss.

„Zum Glück ist auf die Cronenberger Verlass…“

On top hinzu kommt die Verdoppelung der Diesel-Kosten – aktuell kann der Bürgerbus-Verein noch von seinen (coronabedingten) Rücklagen zehren. Dass er ins Minus fährt ist allerdings vorprogrammiert. Ans Aufhören denkt Andreas Holstein trotz der Nackenschläge nicht: „Wir machen das ja für die gute Sache, also für unsere Fahrgäste – die sind die Hauptsache“, unterstreicht der oberste Bürgerbusler und ergänzt: „Zum Glück haben wir in Cronenberg viele Unterstützer, auf die wir weiter zählen können…“

Der Verein „Dörper Bus“

Wer den Bürgerbus-Verein unterstützen möchte, erfährt Näheres via Internet unter www.doerper-bus.de. Auch ehrenamtliche Fahrer sind immerzu gesucht, Interessierte können sich gerne beim Verein melden.