23.09.2022, 18.36 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Bürgerbüro Cronenberg: Ignoriert die Stadt die eigene Verfassung?

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SPD-Sprecher Oliver Wagner (li.), Bezirksbürgermeisterin Miriam Scherff und CHBV-Vorsitzender Rolf Tesche (re.) bei der Übergabe der Unterschriften zur Wiederöffnung des Bürgerbüros Cronenberg an Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig (mi.) im Mai. | Foto: Meinhard Koke

Ein Zeitungsbericht ließ im Frühjahr die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung (BV) Cronenberg aufhorchen: Hier sprach Stadtdirektor Slawig von den Bürgerbüros als „Außenstellen des Einwohnermeldeamtes“. „Ist doch falsch“, unkte SPD-Fraktionssprecher Oliver Wagner: Dieser Begriff sei in der Gemeindeordnung NRW nicht zu finden. Vielmehr stehe hier, dass jeder Stadtbezirk eine Bezirksverwaltungsstelle haben muss.

In ihrer Hauptsatzung könne eine Stadt zwar Ausgestaltungen der Bezirksverwaltungsstelle regeln: „Dies ist der Hauptsatzung der Stadt Wuppertal allerdings nicht zu entnehmen“, unterstrich Oliver Wagner. Da die laut NRW-Gemeindeordnung garantierte „möglichst ortsnahe Erledigung der Verwaltungsaufgaben“ seit Jahren in Cronenberg nicht mehr gewährleistet sei, stellte die Dörper SPD-Fraktion eine Große Anfrage an die Stadt. Zur August-Sitzung der BV Cronenberg lag die Antwort aus dem Rathaus Barmen vor.

Stadt-Antwort: „Ja, muss so sein – ist aber de facto nicht“

Darin bestätigt Stadt-Dezernent Matthias Nocke, zu dessen Aufgabengebiet das Einwohnermeldeamt zählt, zwar, dass sich eine Bezirksverwaltungsstelle/Bürgerbüro „durch das Dienstleistungsangebot der verschiedensten Leistungseinheiten einer Kommune“ definiert und dass dies bis 2010 auch in den Wuppertaler Bürgerbüros der Fall gewesen sei. Mit Sparmaßnahmen im Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) sei es jedoch zu einer „politisch beschlossenen beinahe vollständigen Zentralisierung des Dienstleistungsangebotes der Bürgerbüros“ gekommen. Konkret: Diverse Aufgaben wurden im sogenannten „Bürgeramt“ (Einwohnermeldeamt, Standesamt, ServiceCenter, Servicestelle Ehrenamt, Untere Standesamtsaufsichtsbehörde, Geschäftsführung BV) zentralisiert – in den Bürgerbüros verblieben nur noch Leistungen des Einwohnermeldeamtes.

Dezernent Nocke: Bürgerbüro ist Außenstelle von Meldeamt

Konsequenz aus der Sicht von Dezernent Nocke: Seit über zehn Jahren handele es sich bei den Bürgerbüros „nicht mehr um ein Bürgerbüro in einer Bezirksverwaltungsstelle per Definition“. Vielmehr sei zum Beispiel die Stadt-Stelle am Rathausplatz de facto eben eine „Außenstelle des Einwohnermeldeamtes“, der Ausdruck „Außenstelle des Meldeamtes“ sei also zutreffend, glaubt Matthias Nocke. Während im üblichen „Klimacheck“ am Ende von Stadt-Vorlagen die Auslegung des Dezernenten als „klimaneutral“ eingeordnet werden, sieht SPD-Fraktionschef Wagner das Klima zwischen Stadt und Bezirksvertretung Cronenberg durch die Einschätzung als zumindest belastet an. „Meines Erachtens passt das nicht zu Paragraph 7 der Hauptsatzung der Stadt“, wirft Wagner der Stadt einen Verstoß gegen die eigene Stadtverfassung vor.

Langerfeld-Bürgermeister spricht von „Rechtsbruch“

Ähnlich sieht das mit Andreas Bialas (SPD) der Bezirksbürgermeister von Langerfeld-Beyenburg, einem Stadtbezirk, der wie Cronenberg von dem „Stadtverfassungsbruch“ betroffen ist. Die Stadt breche bestehendes Recht, kritisierte der Bezirksbürgermeister bereits im Februar. Und selbst Stadtdirektor Johannes Slawig räumte das im Frühjahr indirekt ein: Zur sogenannten „Drei-Rathäuser-Idee“ (Rathäuser Barmen und Elberfeld sowie ehemalige Bundesbahndirektion) ließ Slawig wissen, dass zu einer Konzentration von Bürgerservices auf diese drei Standorte die Hauptsatzung der Stadt zunächst geändert werden müsse.

Resolution: Bezirksbürgermeister mahnen die Stadt

Entsprechend brachten die Wuppertaler Bezirksbürgermeister im März auch eine gemeinsame Resolution an die Stadt auf den Weg: Darin mahnten alle Bürgermeister der Stadtbezirke einen „rechtskonformen Umgang mit den Bezirksvertretungen“ an. Es gehe nicht, dass sich die Verwaltung über die Rechte der Bezirksvertretungen hinwegsetze und auf diese Weise einfach Tatsachen schaffe.

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SPD-Sprecher Wagner: „Warum heißt es noch Bürgerbüro?“

Oliver Wagner gibt sich mit der „De facto“-Begründung von Dezernent Nocke nicht zufrieden und will den vermeintlichen „Verfassungsbruch“ der Stadt nicht schlucken: Zur BV-Sitzung am 17. August hat der SPD-Sprecher einen Fragenkatalog an die Stadt eingebracht. Damit will Wagner geklärt wissen, wann der OB die Änderung des Bürgerbüro-Angebotes entschieden und dazu zuvor hauptsatzungsgemäß das Stadtparlament angehört habe. Außerdem fragt Wagner beinahe süffisant, warum die Stadt das Bürgerbüro immer noch (zum Beispiel in ihren Corona-Mitteilungen oder am Eingang zum Rathauscenter Cronenberg als „Bürgerbüro“ bezeichnet, wenn es doch gar kein Bürgerbüro mehr sei.

„Zur Not Rechtsmittel einlegen“

Vor allem will der SPD-Sprecher wissen, „ab wann … sich die Verwaltung wieder an § 25 (1) der Hauptsatzung halten und in Cronenberg ein Bürgerbüro per Definition“ betreiben werde.Im Schlusssatz seines Fragenkatalogs fährt Wagner juristisches Geschütz auf: Es müsse „in Erwägung gezogen werden, Rechtsmittel einzuleiten“, unterstreicht der SPD-Fraktionschef seinen Willen zur Klärung der Bürgerbüro-Frage.

§ 7 der Hauptsatzung

In Paragraph 7, Absatz 1 der Wuppertaler Hauptsatzung steht klar, dass unter anderem im Stadtbezirk Cronenberg eine Bezirksverwaltungsstelle einzurichten ist. Absatz 2 regelt zwar mögliche Änderungen von Organisation oder Aufgaben der Bezirksverwaltungsstellen. Eindeutig ist hier allerdings ebenso festgelegt, dass der Oberbürgermeister dazu erst nach Anhörung der jeweiligen Bezirksvertretung entscheiden darf. Das ist in Cronenberg (formal) nicht geschehen.

Alle bisherigen CW-Berichte rund um das Thema „Bürgerbüro“ können hier aufgerufen werden.