27.03.2023, 19.48 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Nein zum Hochwasser-Warnsystem: „Ich bin maximal frustriert!“
Wer Dr. Andreas Groß kennt, der weiß: Der Co-Chef der Heinz Berger Maschinenfabrik ist mit Leidenschaft bei der Sache – ob als Vize der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), als stellvertretender Vorsitzender der Gemeinschaft Cronenberger Unternehmen (GCU) oder natürlich auch als Unternehmer. Insofern jammerte Groß nicht groß, als die Hochwasser-Katastrophe im Juli 2021 in seiner Firma in der Kohlfurth einen Millionenschaden angerichtet hatte. Kaum waren die Wassermassen raus, ging Groß daran, für die Zukunft vorzubeugen, schließlich ist der Firmenchef überzeugt: Das war nicht das letzte Hochwasser…
Gemeinsam mit Mitarbeitern seiner Firma und in Zusammenarbeit mit der Bergischen IHK, dem Wupperverband, der Bergischen Universität und den drei Städten im Dreieck entwickelte Groß ein Hochwasser-Frühwarnsystem (die CW berichtete). Mit Erfolg: Als Mitte Januar Dauerregen erneut den Wupper-Pegel bedrohlich ansteigen ließ, löste Andreas Groß zwar „Alarmbereitschaft“ in seiner Firma am Wupperufer aus. Er blieb aber halbwegs gelassen ob der Messdaten der Sensoren, welche er verfolgte: „Ich wusste zu 99 Prozent, dass keine kritische Situation eintreten würde“, blickt der Unternehmer zurück.
NRW-Ministerium: Der Bedarf ist da, aber bedauerlicherweise kein Geld
Nicht nur wegen dieser „Feuertaufe“ ist der Unternehmer überzeugt: „Wir wissen, dass das System funktioniert.“ Umso größer war nun Groß’ Entsetzen über eine Nachricht aus Düsseldorf: Das Wirtschaftsministerium teilte mit, dass die stets avisierten rund 3,2 Millionen Euro für das Frühwarnsystem gestrichen sind. Zwar sehe man unverändert den Bedarf, „bedauerlicherweise“ könne man das Projekt „aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht fördern“. Das sei eine „Ohrfeige für bürgerschaftliches Engagement“, zeigt sich Andreas Groß fassungslos. Zumal er sich zuvor der politischen Unterstützung sicher wähnte. Neben den drei bergischen Oberbürgermeistern zeigte sich zum Beispiel der damalige NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart (FDP) überzeugt: Nach einem Gespräch im März 2022, so berichtet Andreas Groß, habe dieser die Entwicklung des Frühwarnsystems schnellstmöglich auf den Weg bringen wollen.
Erst Grünes Licht, dann Hinhalten von Grünen-Ministerin
Zumal sich mit Verena Schäffer auch die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion in der Kohlfurth informierte (die CW berichtete ebenfalls), schienen die Zeichen weiter auf „Grün“ zu stehen, als sich nach der Wahl eine CDU/Grüne-Landesregierung gebildet hatte. Zwar, so berichtet Andreas Groß, zog sich der Startschuss aus Düsseldorf seitdem hin, konnte der Förderantrag erst im September auf den Weg gebracht werden; zwar vertröstete das Wirtschaftsministerium seine Förderzusage dann zunächst aufs Jahresende und schließlich auf März. Mit der Absage aus dem Haus von Grünen-Ministerin Mona Neubaur hatte Groß aber nie gerechnet.
„Eine Ohrfeige für bürgerschaftliches Engagement“
Zwar ließ Ministeriumssprecher Moritz Mais auf CW-Nachfrage wissen, dass man sich weiter um eine Lösung bemühe: „Dazu stehen wir weiterhin im Austausch mit den Projektbeteiligten.“ Sollte sich das Ministerium dazu mit Andreas Groß „austauschen“, würde es spüren: Die Leidenschaft von Andreas Groß ist in „richtig tiefe Enttäuschung“ umgeschlagen: „Ich bin maximal frustriert“, unterstreicht der Unternehmer. Die Telefone liefen bei ihm heiß; ob die Oberbürgermeister, die Bergische Entwicklungsagentur, der Wupperverband, die Uni oder, oder, oder – „keiner versteht das“, zeigt sich Groß fassungslos. Groß lobt ausdrücklich die Politik im Städtedreieck („Das sind tolle lokale Politiker“), für das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium findet der Unternehmer keine freundlichen Worte mehr: Viel Zeit, Energie und Geld – auch Privates – hätten er und seine Mitstreiter zum Beispiel an der Uni in das Projekt gesteckt, das „Nein“ per Video-Anruf sei eine „Ohrfeige für bürgerschaftliches Engagement“: „Das fördert Politikverdrossenheit.“
3,2 Mio Fördergeld versus 40 Milliarden Euro Schaden 2021
Sollte es dabei bleiben und nochmals zu einer Hochwasser-Katastrophe kommen, dann müsse das Ministerium dies den Betroffenen erklären: „Wenn was passiert, dann müssen sie die Verantwortung übernehmen, denn sie haben nicht das Mögliche getan.“ „Das Mögliche“, das sind etwa 3,2 Millionen Euro – so hoch beziffert Andreas Groß die Kosten, um das Warnsystem zur Einsatzreife fortzuentwickeln, sodass man letztlich per App darauf zugreifen könnte: „Das ist eine Lachnummer im Vergleich zu den Schäden der Flutkatastrophe“, sagt der Unternehmer – diese beziffert das Bundesumweltministerium auf mehr als 40 Milliarden Euro. „Wenn wir mithilfe des Warnsystems auch nur ein Prozent der Schäden reduzieren könnten, hätte es sich schon mehr als ausgezahlt.“ Insofern will sich der leidenschaftliche Unternehmer – nach dem Hochwasser 2021 – auch von der Absage nicht unterkriegen lassen: „Aufgeben wird nicht passieren – das bin ich meinem Unternehmen, den Menschen in Kohlfurth, Morsbachtal oder in Beyenburg und mir schuldig“, gibt sich Andreas Groß kämpferisch: „Aufgeben ist nicht bergisch.“
„Fassungslos“: Kritik von MdL Hafke (FDP) und Neumann (SPD)
Bergischen Beistand bekommt Andreas Groß von Marcel Hafke: Der Wuppertaler Landtagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion zeigt sich „schockiert“ von dem Förder-Aus der Landesregierung: „Mich macht die Entscheidung fassungslos“, betont Hafke, dass die Flutkatastrophe Menschenleben gekostet habe: „Daher hat jede Landesregierung alles zu unternehmen, damit sich so etwas nicht wiederholt.“ Klare Worte fand auch der Cronenberger SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann: „Frau Ministerin Neubauer, ich fordere Sie auf, diesen Kurs zu korrigieren!“